योग Yoga ist… ein weites Feld.
Meist sehen wir als erstes einen altindischen Übungsweg, eine traditionelle Philosophie – und grosse Offenheit für Individualität. Denn was auch immer Du suchst, woran Du glaubst (oder eben nicht glaubst) und was Dir wichtig ist im Leben – die einzige Voraussetzung für eine Begegnung mit Yoga ist die Bereitschaft, Dich auf ein Experiment mit Dir selber ein- und darin überraschen zu lassen.
Und zwar genau hier, genau in diesem Moment. Das erste Wort im Yogasutra des Patañjali ist atha (jetzt) – und so ist es denn auch die absolute Präsenz im gegenwärtigen Augenblick, die eine Yogapraxis bereits in den Anfängen ausmacht. Über eine Verbindung von Körper, Atem und Geist lehnen wir uns (im Idealfall vertrauensvoll) hinein in alles, was ist. Ob beim Üben Glücksgefühle auftauchen oder Zweifel, ob wir mit unseren Begrenzungen konfrontiert werden oder eine innere Weite kennenlernen, die wir nicht vermutet hätten – alles ist Teil der Erfahrung. Indem wir wertfrei wahrnehmen, was geschieht, wird ein Streben nach Perfektion überflüssig. Dieser Perspektivwechsel weg vom ewig Unerreichbaren erlaubt, uns als die zu akzeptieren, die wir sind. Darin liegt Freiheit.
yoga sūtra 1.2
योगश्चित्तवृत्तिनिरोध yogaścittavṛttinirodhaḥ
Yoga ist der Zustand, in dem die Bewegungen des Geistes zur Ruhe kommen*
Innere Freiheit entsteht in Ruhe – und ist immer auch die Freiheit von problematischer Verstrickung: mit Gedanken, Gefühlen, Gewohnheiten, mit Erwartungen, Befürchtungen und Leid. Mit allem, was sich als unausweichlich präsentiert, unser Leben kommentiert und uns Geschichten von Abhängigkeit erzählt.
Wenn in der Yogapraxis – die auch in den Körperübungen im Kern eine Meditationspraxis ist – der Kontakt zur inneren Ruhe entsteht, wird der direkte und unverstellte Kontakt zu uns selbst möglich. Zu unserer Existenz, die keine Bedingung und keine Erklärung braucht – und darin ganz und gar friedlich sein darf.
Eine bedeutsame Übersetzungen von Yoga ist Verbindung – das Sich-in-Verbindung-Fühlen mit dem eigenen Körper, der eigenen Kraft und Kompetenz, dem Atem und dem inneren Raum. Es meint aber auch die Verbindung zu allen Lebewesen – und allem, was grösser ist als wir selbst. Diese Verbindung hilft, uns nicht in der Welt, den äusseren Bedingungen und eigenen Herausforderungen zu verlieren. Es entsteht ein Freiraum, „in dem wir fest in unserem Körper weilen, ohne Vorurteile die Welt wahrnehmen und Klarheit und Ruhe gewinnen“ können
(R. Sriram).
Yoga meint also sowohl einen Zustand als auch die Schritte, die helfen, diesem Zustand näher zu kommen.
Und die Schritte sind kein Zauberwerk.
yoga sūtra I.12.
अभ्यासवैराग्याभ्यां तन्निरोधः abhyāsavairāgyābhyāṃ tannirodhaḥ
Durch beharrliches Üben und Gelassenheit (Gleichmut, Hingabe) kann die dynamische Stille des Geistes erreicht werden*
Yoga wird nicht „gemacht“, es geschieht – und den Rahmen dafür schaffen wir übend, möglichst entspannt und im Grunde überall. Wenn die Yogapraxis von der Matte aus Eingang in unseren Tag findet, können wir in der Warteschlange Gelassenheit üben, am PC eine Haltung kultivieren, die stabil ist und gleichzeitig leicht – und den Atem auch dann noch möglichst angenehm und mühelos fliessen lassen, wenn das Leben uns eine unerwartete Konfrontation in den Weg legt.
Probier es aus – und geh den ersten Schritt!
* Auslegungen von Patañjalis yoga sūtra auf meiner Seite sind angelehnt an R. Sriram, E. Bärr und E. Wolz-Gottwald.